SPS 2024: Die Zeichen stehen auf Abschied von klassischen Steuerungssystemen
Die Automatisierungsbranche trotzt der konjunkturellen Delle: So der Eindruck von Jens Mueller, CEO von Ascon Systems, nach der Messe SPS, Smart Production Solutions, die vom 12. bis 14. November 2024 in Nürnberg stattfand. Neben Digitalisierung und KI waren es für ihn besonders drei Themen, die für Diskussionsstoff auf der Fachmesse sorgten.
Die SPS findet seit 1997 in Nürnberg statt. Sie ist eine weltweit führende Messe für smarte und digitale Automatisierung und ein Höhepunkt für die Automatisierungs- und Fertigungsindustrie. Dieses Jahr war Ascon Systems erstmalig mit einem Stand vertreten und in Kooperation mit Bürkert auch mit einem Demonstrator: Er zeigt das Zusammenspiel von Fluidiktechnik mit digitalen Zwillingen und das damit verbundene Potenzial für mehr Präzision und Effizienz.
Jens Mueller war vor Ort. In seiner Rückschau sind es vor allem drei Fragestellungen, um die sich die Unterhaltungen drehten:
- Löst die Softwareprogrammierte Steuerung die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) ab?
- Was bieten Cloud- und Edge-basierte Lösungen?
- Wie entsteht Nachhaltigkeit durch Automatisierung?
Wie geht die SPS-freie Produktion?
Jens Mueller: „Bei der SPS-freien Produktion (PLC-less Production) wird die klassische speicherprogrammierbare Steuerung durch moderne, softwarebasierte Systeme ersetzt. Gründe dafür gibt es viele: Herkömmliche SPS sind oft nicht kompatibel mit neuen Technologien wie KI oder Cloud Computing, sie sind begrenzt in ihren Funktionalitäten und Kapazitäten und sie müssen meist von Fachkräften programmiert werden und die stehen nicht immer zur Verfügung, wenn man sie braucht. Wer seine Produktionsprozesse skalierbarer und flexibler gestalten möchte, kommt mit der herkömmlichen SPS also an seine Grenzen. Der Verzicht darauf und der Ersatz durch Software-definierte Systeme ermöglicht wiederum kürzere Entwicklungszeiten und eine nahtlose Integration in bestehende IT-Infrastrukturen. Wir arbeiten bereits mit Kunden wie BMW und Bürkert an solchen Systemen. Bei der SPS habe ich dieses Jahr oft mit Besuchern diskutiert, welche Voraussetzungen für eine SPS-freie Produktion geschaffen sein müssen, also offene Kommunikationsstandards und interoperable Systeme, und wie virtualisierte Steuerungslösungen Produktionslinien agiler und zukunftssicherer gestalten können. Die größte Unsicherheit bestand meiner Meinung nach darin, tatsächlich die Daten aus den unterschiedlichen Silos so zusammenführen zu können, dass sie über die Software erfasst und gesteuert werden können. Es ist aber genau das, was Unternehmen sowieso machen müssen, um Transparenz über Prozesse und Datenströme zu erhalten, effizienter und innovativer zu werden.“
Jens Mueller, CEO, Ascon Systems
Gehört die Zukunft den Cloud- und Edge-basierten Lösungen?
Jens Mueller: „Cloud- und Edge-Technologien revolutionieren die industrielle Automatisierung. Ich würde sogar noch weitergehen und sagen, dass sie eine Voraussetzung für das Gelingen sind. Sie ermöglichen, dass Daten direkt in der Nähe der Produktionsstätten (Edge) oder in der Cloud verarbeitet und gespeichert werden. Die Vorteile sind enorm. Dazu gehören Echtzeitanalysen, globale Vernetzung und flexible Skalierbarkeit. Die Lösungen fördern die Effizienz und unterstützen so wichtige und zukunftsweisende Anwendungen wie vorausschauende Wartung (predictive maintenance) und Technologien wie digitale Zwillinge in der Fertigung. Vor allem aber sind sie für Security und Safety wichtig: Sie gewährleisten Sicherheitssysteme, können dynamisch und flexibel an aktuelle Anforderungen angepasst werden, sind immer auf dem neuesten Stand von Verschlüsselungsstandards und können gerade in Verbindung mit KI auch Anomalien und potenzielle Sicherheitsbedrohungen erkennen, bevor sie entstehen. Für uns, die wir mit unseren Partnern NVIDIA und Threedy auch Lösungen für das Industrial Metaverse anbieten, aber auch allgemein für die Industrie 4.0, sind Cloud- und Edge-basierte-Technologien eine elementare Voraussetzung, um unabhängig von Standort und Datum auf Daten zugreifen zu können. Von daher also kein ganz neues Thema, aber eins, mit einer hohen Dynamik, das für viele Menschen in der Industrie immer wichtiger wird und in fast jedem Gespräch bei der SPS eine Rolle spielte.“
Wie trägt Automatisierung zu mehr Nachhaltigkeit bei?
Jens Mueller: „Automatisierungstechnologien spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung nachhaltiger Produktionsmethoden. Sie tragen dazu bei, dass Prozesse effizienter gestaltet werden können, dass der Ressourcenverbrauch minimiert werden kann. Sie sorgen zudem für gleichbleibend hohe Produktqualität und verringern den Ausschuss. Automatisierung integriert oft IoT- und datenbasierte Technologien. Die Daten geben Unternehmen fundierte Einblicke in ihre Umweltleistung. Dadurch können sie Schwachstellen identifizieren und ihre Nachhaltigkeitsziele gezielt umsetzen. Intelligente Steuerungssysteme und datenbasierte Analysen helfen zudem, Energie zu sparen und Abfälle zu reduzieren. Und automatisierte Demontage- und Recyclingprozesse unterstützen die Rückgewinnung wertvoller Materialien, was zur Schonung von Ressourcen beiträgt. Ein Beispiel: Wir haben in einem interdisziplinären Konsortium aus Industrie und Forschung, in Kooperation unter anderem mit Volkswagen AG, Liebherr-Verzahntechnik und Deckel Maho Pfronten in dem Forschungsprojekt ZIRKEL untersucht, wie Automatisierungslösungen zu einer Demontage der Batterien in großem Maßstab beitragen können. Zu den Ergebnissen gehören Effizienzsteigerungen und kontextualisierte Daten, die in den digitalen Batteriepass einfließen können, der voraussichtlich ab 2027 gelten wird. Insgesamt können Unternehmen mit Automatisierungsansätzen ihre ökologischen und ökonomischen Ziele in Einklang bringen. Diese Entwicklungen sind von großer Bedeutung. Die Industrie ist gefordert, immer umweltfreundlicher zu agieren und ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Und obwohl es auf manchen Messen schien, als würde Nachhaltigkeit keine Rolle mehr spielen: Die SPS hat gezeigt, dass das zumindest für die Automatisierungsindustrie nicht gilt.“
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