KI in der Industrie 4.0: Mehr Handarbeit als gedacht
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Fertigung wird oft als revolutionärer Schritt hin zu mehr Effizienz und Automatisierung gefeiert. Doch der Weg dahin bedeutet in vielen Unternehmen derzeit noch einen tiefgreifenden Wandel. Statt Plug-and-Play erfordert die Implementierung von KI in eine Fertigungsumgebung überraschend viel manuelle Arbeit und menschliches Know-how. Doch der Einsatz lohnt sich.
Aktuell entsteht durch die leichte Zugänglichkeit zu generativen, sprachbasierten KI-Tools wie ChatGPT der Eindruck, KI sei leicht in alle Geschäftsprozesse zu integrieren und führe direkt zu Ergebnissen. Das mag für manche Unternehmensbereiche wie dem Marketing, Sales oder Kundenservice auch zum Teil zutreffen. Hier gehören zum Output beispielsweise ein Text oder Bild, automatische Antworten auf häufig gestellte Fragen, Automatisierung bei der Lead-Generierung oder Produktberatung. Generative KI ist darauf spezialisiert, Inhalte zu generieren, die von menschlichen Werken nicht zu unterscheiden sind. Aufgaben, die natürliche Sprachverarbeitung erfordern stehen daher im Fokus. Doch wie sieht es in der Fertigungsbranche aus, wo die Anforderungen deutlich spezialisierter und komplexer sind?
Generative vs. Klassische KI
Auch in der Fertigung kann generative KI eine wichtige Rolle spielen, wenn es zum Beispiel um kreative Prozesse wie das Design und Prototyping bei neuen Produkten geht – wenngleich die dafür eingesetzten Modelle und Tools aktuell noch weit von der Qualität von Textgenerierungstools entfernt sind. Die Hauptgründe aber, wieso KI in der Fertigung immer mehr eingesetzt wird, liegen in den Effizienzgewinnen und Kostenreduktionen. Generative KI ist in diesen Bereichen, die spezialisiertes Wissen, kritische Entscheidungsfindung oder physische Interaktionen antizipieren oder erfordern, nicht mehr ausreichend. Das liegt an ihren Datenquellen: Sie wurde mit Milliarden von weltweiten Datensätzen und damit auf Basis von statistischen Modellen trainiert, aus denen sie Muster, Regeln und Strukturen erkennt und ableitet und darauf aufbauend Neues generiert. Eine industrielle Fertigung ist wiederum maßgeschneidert. Sie braucht spezifische KI-Tools. Die Einsatzgebiete und Ziele, die verwendeten Daten, die Art der Interaktion und die Art der Ausgaben unterscheiden sich erheblich von denen der generativen KI. Sie beruhen zwar – genau wie bei der generativen KI – auf Machine Learning. Dazu kommen aber regelbasierte Systeme, die die Expertise der Fertigung in deterministischer Weise in die Algorithmen einpflegen. Diese maßgeschneiderten Systeme müssen nicht nur effektiv, sondern auch transparent und nachvollziehbar sein, um in der komplexen Fertigungsumgebung richtig zu funktionieren.
Transparenz in der lernenden KI
Fast alle aktuell eingesetzten KI-Modelle beruhen auf Machine Learning, also auf lernenden Algorithmen, die sich selbst verbessern und aus ihren Erfahrungen lernen. Die Leistungsfähigkeit und Effektivität von Machine-Learning-Modellen sind gekoppelt an die Qualität, Quantität und Relevanz der verwendeten Daten. Sie kommen aus einer Vielzahl von Quellen. Dazu gehören Sensoren von Maschinen, Anlagen und Produktionslinien, Daten aus Betrieb, Logistik, Wartung und Qualitätskontrolle, aus der Eingabe, die Menschen vornehmen, und aus externen Quellen wie Wetterdaten.
Innerhalb der Modelle werden diese Daten verarbeitet, analysiert und in Beziehung zueinander gesetzt. Dabei erkennen die Algorithmen Muster, Zusammenhänge und Trends, die für Menschen oft nicht offensichtlich sind. Diese Erkenntnisse ermöglichen es den Modellen, Vorhersagen zu treffen, Entscheidungen zu unterstützen oder autonome Aktionen auszuführen.
Die Fähigkeit der Modelle, aus neuen Daten kontinuierlich zu lernen, macht sie besonders wertvoll für dynamische Umgebungen wie wir sie in der Industrie haben. Die lernende KI kann sich an veränderte Bedingungen anpassen, neue Produktionsverfahren berücksichtigen oder auf Marktveränderungen reagieren. Gleichzeitig stellt dies auch hohe Anforderungen an die Datenverwaltung und -qualität. Fehlerhafte oder verzerrte Daten können zu falschen Schlussfolgerungen führen, weshalb eine sorgfältige Datenauswahl und -vorverarbeitung unerlässlich sind.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Interpretierbarkeit der Modelle. Während einige Machine-Learning-Techniken wie Entscheidungsbäume relativ transparent in ihrem Entscheidungsprozess sind, gelten andere, insbesondere Deep-Learning-Modelle, oft als „Black Box“. Hier sind die Prozesse nicht einsehbar und die Ergebnisse nicht neutral nachvollziehbar. Dies kann in sensiblen Bereichen, in denen Nachvollziehbarkeit und Erklärbarkeit wichtig sind, eine Herausforderung darstellen. Daher ist es umso wichtiger, dass die Qualität der zugrunde liegenden Daten gewährleistet ist, um die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der KI-Modelle zu sichern.
Die Datenqualität entscheidet
In vielen Unternehmen stellt bereits die Komplexität und Quantität von Daten eine Herausforderung dar. Dies insbesondere dann, wenn Daten getrennt in Silos vorgehalten werden – was in vielen Unternehmen noch ausgeprägt der Fall ist. Datensilos führen zu einer fragmentierten Datenlandschaft und zu erheblichen Qualitätsverlusten. Sie verhindern die ganzheitliche Sicht auf Betriebsabläufe, sind oft veraltet, uneinheitlich formatiert und nur für bestimmte Abteilungen oder Personenkreise zugänglich. Werden diese Datensätze in die KI gespielt, führt das zu inkonsistenten Datenformaten, Dopplungen, Lücken und widersprüchlichen Informationen. Entscheidungen der KI beruhen dann auf diesen fragmentierten Informationen. Das erschwert die eindeutige Analyse genauso, wie neue Einsichten und fundierte Entscheidungen.
Ergänzend dazu müssen organisatorische Strukturen durch Change Management angepasst werden. Die Umstellung auf ein Datenökosystem mit Datendurchgängigkeit, Transparenz und Interoperabilität ist zentral. Data Governance etabliert Richtlinien und Standards, während ein Kulturwandel Datentransparenz und Datenfreigabe fördert. Mehr dazu: https://ascon-systems.de/aim/
Der Mensch setzt die Ziele
Trotz der der technologischen Fortschritte, auch bei der Automatisierung, bleibt der Mensch der entscheidende Faktor bei der Implementierung von KI-Systemen in die Fertigungsprozesse. Die menschliche Expertise ist entscheidend, um die KI-Modelle effektiv zu trainieren, zu überwachen und anzupassen, wobei ein tiefes Verständnis der spezifischen Produktionsumgebung und der technischen Anforderungen erforderlich ist. Sie ist auch entscheidend, weil sie durch präzise Fragestellungen die Anforderungen an das Ergebnis vorgibt, dass die KI erbringen soll.
Die Re-Evaluierung spielt eine Schlüsselrolle: Eben weil sich ein KI-Projekt durch die aktuell verfügbaren Daten, die Ergebnisse und neue Erkenntnisse stets entwickelt, ist es notwendig, dass die Ziele und Werte regelmäßig überprüft und ggf. justiert werden. Sonst landet man im schlimmsten Fall an einer anderen Stelle im Prozess als gewünscht.
Bei all dem sind das menschliche kritische Urteilsvermögen und ethische Überlegungen zentral. Sie stellen sicher, dass die KI-Systeme verantwortungsvoll und zum Wohle des gesamten Unternehmens eingesetzt werden.