KI in der Produktion: Besser Lernen aus Prozessdaten
Künstliche Intelligenz (KI) in der Fertigung übertrifft traditionelle Ansätze zur Optimierung von Prozessen. Sie analysiert und lernt schneller, liefert mehr und bessere Informationen für Entscheidungsgrundlagen und sie zeigt neue Handlungsmöglichkeiten auf. Damit steigert der Einsatz von KI die Effizienz, Qualität und Flexibilität in allen Bereichen. Aber die Erfolge entstehen nicht von allein, durch die bloße Einbindung von KI. Die Grundlage dafür kommt über aussagekräftige Prozessdaten. Sie ermöglichen die komplexen Datenanalysen, die wiederum zu neuen Erkenntnissen und Optimierungsansätzen führen. Wie kommt man zu diesen Daten, wie erkennt man ihre Güte? Welche KI-Methode ist für welche Anwendung geeignet? Marcus Röper, KI-Experte und Product Owner Embedded AI bei Ascon Systems, erläutert die Zusammenhänge.
Prozessdaten als Grundlage für KI-Anwendungen
Prozessdaten sind Daten, die während eines Produktions- oder Fertigungsprozesses entstehen. Sie informieren über den Zustand, Zustandsänderungen und die Leistungen von Maschinen und Prozessen. Ihre Quellen sind Sensoren von Maschinen und Anlagen, IoT-Geräten oder aus der Steuerungssoftware wie ERP-, MES- und SCADA-Systemen. Auf Grundlage dieser Prozessdaten bauen KI-Anwendungen auf.
Besonders fünf Faktoren sind relevant, um die Güte der Daten beurteilen zu können:
- Datenqualität: Die Qualität der Prozessdaten ist entscheidend für den Erfolg von KI-Anwendungen. Hohe Datenqualität bedeutet, dass die Daten genau, zuverlässig und frei von Fehlern oder Ausreißern sind. Ungenaue oder fehlerhafte Daten können zu falschen Analysen und ineffizienten oder sogar schädlichen Entscheidungen führen.
- Datenvollständigkeit: Vollständige Daten gewährleisten, dass alle für den Prozess relevanten Informationen erfasst und verfügbar sind. Fehlen Daten, entstehen Lücken in der Analyse, was die Leistungsfähigkeit von KI-Modellen beeinträchtigt.
- Datenkonsistenz und -standardisierung: Konsistente und standardisierte Datenformate erleichtern die Integration und Verarbeitung von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Wenn Daten einheitlich strukturiert sind, können KI-Algorithmen effizienter arbeiten. Das erleichtert die Interpretation der Ergebnisse.
- Datenaktualität und Echtzeitverfügbarkeit: Aktuelle Daten der Zustände von Prozessen sind für die Überwachung wichtig. Sie legen die Grundlage für zeitnahe oder sogar Echtzeit-Entscheidungen. KI-Anwendungen können so sofort auf Veränderungen im Prozess reagieren und proaktive Maßnahmen empfehlen.
- Datensicherheit und Datenschutz: Der Schutz der Prozessdaten vor unbefugtem Zugriff und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen sind essenziell. Sicherheitsmaßnahmen für den externen Zugriff gewährleisten die Integrität und Vertraulichkeit der Daten, während interne Datenschutzrichtlinien sicherstellen, dass sensible Informationen entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und den hausinternen Compliance-Regeln gehandhabt werden.
Sind diese Faktoren berücksichtigt und die Daten entsprechend aufbereitet, bilden sie eine gute Grundlage, an die, KI-Modelle ansetzen und wirken können. Jetzt stellt sich die Frage, wie daraus nutzbares Wissen entsteht.
Prozessintelligenz mit KI: Lernen aus Prozessdaten
Dass die KI aus Prozessdaten lernen kann, bedeutet, sie analysiert die Erkenntnisse aus den gewonnenen Daten und kombiniert sie mit ihrem Wissen über optimale Zustände und dem Verständnis komplexer Abläufe. Sie erkennt Muster, kann Entscheidungen empfehlen sowie Forecasting und Prognosen erstellen. Diese Aussagen unterstützen Unternehmen darin, zukünftige Ereignisse wie Nachfrage, Engpässe oder Ausfälle präzise vorherzusagen. KI hilft zudem dabei, Daten zu klassifizieren und schnell zu interpretieren. Auch das kann die Basis, auf der Unternehmen Entscheidungen treffen, entscheidend verbessern.
Ansätze wie Process Mining und Data Mining verbinden die Analyse von Prozessabläufen mit der Suche nach bisher verborgenen Zusammenhängen in großen Datensätzen. Moderne Large Process Models gehen noch einen Schritt weiter, indem sie extrem komplexe, dynamische Prozesse vollständig modellieren und simulieren. Das ermöglicht die Suche nach optimalen Prozessabläufen in Echtzeit genauso wie die Optimierung von Ressourceneinsatz und Kapazitäten. Entscheidend für die Prozessoptimierung ist zudem die passende KI-Methode.
KI-Methoden zur Prozessoptimierung
KI-Methoden umfassen eine Vielzahl von Technologien, darunter generative Algorithmen wie Large Language Models (LLMs) wie GPT sowie spezialisierte Algorithmen aus Bereichen wie Machine Learning (ML), Deep Learning (DL) und Reinforcement Learning (RL).
Die Wahl der KI-Methode hängt vom spezifischen Anwendungsfall ab. LLMs sind hervorragend für textbasierte Anwendungen und Wissensmanagement geeignet, während ML und DL in der Optimierung und Vorhersage bei großen, komplexen Datensätzen dominieren. Durch ein Ensemble dieser Technologien können Unternehmen umfassende und präzise Erkenntnisse schaffen, die eine effiziente und nachhaltige Prozessoptimierung ermöglichen.
Jede Methode hat spezifische Stärken und wird auf unterschiedliche Weise eingesetzt. Hier ein Überblick über relevante KI-Ansätze und die Ergebnisse, die sie liefern können:
- Large Language Models (LLMs): Verarbeiten natürliche Sprache für Produktionsanweisungen und Berichte, verbessern Kommunikation und Entscheidungsfindung durch effiziente Analyse und extrahieren relevante Informationen aus großen Textdatenmengen.
- Outlier Detection: Identifiziert abweichende Datenpunkte, erkennt frühzeitig Anomalien wie Maschinenfehler und Qualitätsprobleme, die Prozessstabilität erhöhen und Ausfallzeiten reduzieren.
- Klassifizierungen und Regressionen: Klassifikationsalgorithmen teilen Daten in Kategorien ein, Regressionsmodelle quantifizieren Beziehungen für numerische Vorhersagen, beide Methoden unterstützen fundierte Entscheidungen durch Muster- und Trenderkennung.
- Reinforcement Learning Algorithmen: Lernen durch Rückmeldungen aus der Umgebung und optimieren kontinuierlich ihre Strategien, fördert die dynamische Anpassung und autonome Prozessoptimierung.
- Zeitreihenvorhersagen: Analysieren historische Daten zur Erkennung von Trends und Mustern, ermöglichen genaue Prognosen für Produktionsbedarfe und Wartungszyklen, verbessern Planung und Ressourcenallokation.
Für diese Methoden gibt es unterschiedliche Anbieter, die sich zum Teil stark unterscheiden. Vor dem Einsatz der KI sollten Unternehmen anhand einer Liste zu den spezifischen Anforderungen überprüfen, welches KI-Modell oder welche verschiedenen Modelle die Ansprüche erfüllen. Diese maßgeschneiderten Systeme und Methoden müssen jedoch nicht nur effektiv, sondern auch transparent und nachvollziehbar sein, um in der komplexen Fertigungsumgebung richtig zu funktionieren. Die Methoden können einzeln eingesetzt oder kombiniert werden. Zu beachten ist zudem, dass ein Modell allein nie eine abgeschlossene Lösung im Prozessautomatisierungskontext darstellt, sondern lediglich einen intelligenten Kern in einem größeren Kontext bieten kann.
Kombinierte Maßnahmen zur Datenintegration und -transparenz
Um die Herausforderungen fragmentierter und isolierter Daten zu bewältigen, sind sowohl technische als auch strategische Maßnahmen erforderlich. Datenintegrationstechnologien wie ETL-Prozesse (Extract, Transform, Load), Datenkataloge und Data Meshes spielen eine zentrale Rolle bei der Auflösung von Datensilos und sorgen für eine ganzheitliche Sicht auf Betriebsabläufe. Data Meshes ermöglichen eine dezentrale Datenarchitektur, bei der Daten als Produkt behandelt und domänenspezifische Teams für die Datenverarbeitung und -bereitstellung verantwortlich gemacht werden. Middleware zur Datenintegration stellt darüber hinaus die nahtlose Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen sicher.
Drei Beispiele aus der Praxis:
- Qualitätskontrolle und Prozessagilität: Ein Unternehmen aus der Automobilindustrie setzt KI-basierte Bildverarbeitung für die visuelle Inspektion von Bauteilen ein. Durch den Einsatz von Computer-Vision-Algorithmen werden Mängel und Qualitätsabweichungen in Echtzeit erkannt. Die Software-definierte Produktion integriert diese KI-Erkenntnisse unmittelbar in den Produktionsprozess, wodurch Anpassungen sofort vorgenommen werden können. Das Ergebnis ist eine Verringerung von Ausschuss und Produktionskosten sowie eine Steigerung von Präzision und Effizienz.
- Anomalieerkennung und Sicherheit: In der Chemieindustrie nutzt ein Unternehmen KI, um Anomalien in Echtzeit zu erkennen und Produktionsstörungen sowie Unfälle zu vermeiden. Die KI analysiert kontinuierlich Sensordaten und identifiziert nichtlineare Muster, die auf potenzielle Gefahren wie Lecks oder Druckanstiege hinweisen. Die Software-definierte Produktion ermöglicht es, die von der KI vorgeschlagenen Gegenmaßnahmen direkt umzusetzen, was die Betriebssicherheit erhöht und Umweltschäden verhindert.
- Prescriptive Maintenance und Self-Healing: Ein Maschinenbauunternehmen implementiert KI-gestützte Predictive Maintenance (zu deutsch: vorausschauende Wartung), um ungeplante Stillstände zu minimieren. Sensordaten von Maschinen und Anlagen werden analysiert, um Ausfälle und Verschleiß frühzeitig zu erkennen. Durch die Integration dynamischer Wartungsstrategien berücksichtigt die KI spezifische Alterungs- und Degradationsverhalten. Die Software-definierte Produktion ermöglicht es, Wartungsmaßnahmen direkt in den Produktionsplan einzubinden und bei Bedarf Selbstheilungsprozesse zu initiieren. Dies führt zu höherer Systemzuverlässigkeit und erheblichen Kosteneinsparungen.
Zukunft der Prozessoptimierung mit KI
Mit Blick auf die Zukunft liegt die nächste Stufe der Prozessoptimierung mit KI in der ganzheitlichen Betrachtung und Optimierung komplexer Systeme. Solche Systeme umfassen nicht nur einzelne Prozesse, sondern auch deren Interaktionen mit anderen Prozessen, Ressourcen und äußeren Bedingungen. Durch den Einsatz von KI können Unternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette simulieren, analysieren und optimieren, um Effizienz, Nachhaltigkeit und Resilienz zu steigern. Hierbei kommen zusätzlich zur KI weitere Technologien wie digitale Zwillinge, umfangreiche Simulationsmodelle und datengetriebene Entscheidungsmechanismen zum Einsatz. Sie ermöglichen, komplexe Szenarien und Abhängigkeiten zu modellieren und zu optimieren.
Dieses Zusammenspiel aus KI, Daten und intelligenter Analyse stellt einen Paradigmenwechsel in der Prozessoptimierung dar. Unternehmen können damit sowohl lokale Prozessverbesserungen umsetzen als auch systemübergreifende Strategien entwickeln, die auf langfristige Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit abzielen.